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Parchman Prison Prayer

Parchman Prison Prayer
Some Mississippi Sunday Morning
(Glitterbeat, ca. 39 Min.)
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Kunst, darauf wird man sich einigen können, ist immer dann gut, wenn sie etwas bewirkt. Das kann ein Gefühl sein, das Kunst bei demjenigen auslöst, der sich mit ihr beschäftigt. Das kann eine Erkenntnis sein, eine Idee oder eine neue Sichtweise auf durchschaut geglaubte Strukturen. „Some Mississippi Sunday Morning“ vermag so einiges aufzurütteln, auch tief im Innersten des Zuhörers. Bewunderung beispielsweise, dass der Grammy-prämierte Produzent und Aktivist Ian Brennan dieses erstaunliche Projekt überhaupt angestoßen, drei Jahre lang vorbereitet und gegen allen Widerstand durchgesetzt hat. Aber auch Beklommenheit, die einem beim Hören der 15 Songs (zum Teil sind es Fragmente) zwangsläufig den Rücken hinaufkriechen wird. Brennan schnitt sie beim sonntäglichen Gospel-Gottesdienst im Parchman Farm Maximum Security Prison im US-Bundesstaat Mississippi mit. In dem für seine brutalen Haftbedingungen berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis saßen schon Bukka White, Son House oder Elvis Presleys Vater Vernon ein. Die Geschichten innerhalb seiner Mauern wurden in Bluessongs verarbeitet und in Büchern verewigt, sie sind zu Mythen geworden, wurden in Filmen weitergesponnen. Dieses Album dürfte allerdings als erste Kunstform überhaupt die Hoffnung dokumentieren, die es innerhalb der Mauern eben auch gibt. Sie ist kanalisiert im sonntäglichen Gottesdienst, wo nebeneinander schwarze und weiße Strafgefangene gemeinsam von der Hoffnung auf Vergebung singen. Die unbearbeiteten Aufnahmen sind eher „field recordings“. Sie reichen von nuanciertem A-capella-Gesang („Break Every Chain“) oder nur von Klatschen begleiteten Stücken („I Gotta Run“) bis hin zum furiosen Zusammenspiel einer ausgewachsenen elektrischen Band („Lay My Burden Down“). Die Faszination, dass diese eine verletzliche Stimme, die einen klassischen Spiritual interpretiert, oder dieser andere unheimlich gefühlvolle Bariton, der ein modernes Kirchenlied intoniert, tiefe Kerben im Gewissen haben, trägt auf Albumlänge. Und das Wissen, dass diese musikgewordenen Bekenntnisse zum Glauben und zur Hoffnung auf Vergebung von Menschen stammen, die unter übelsten Bedingungen ihre Schuld gegenüber der Gesellschaft begleichen, wird niemand kalt lassen.

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